Follower

12/08/2011

KULTUR


Kino: „The Help“
Plattenbauten in der 3D-Vorstellung

Der politische Anteil lächerlich, der prozentuale Schmunzel-Anteil gigantisch. Ein Artikel zur Einverleibung des stark diskutierten Filmdramas „The Help“ (USA, 2011), dass einerseits Oscar-reife schauspielerische Leistungen beinhaltet, andererseits die  amerikanische Bürgerrechtsbewegung nur ansatzweise erfasst, und wenn dann nur, wenn Weiße involviert sind.

Die Geschichte spielt im Jackson, Mississippi, von 1963, kurz vor der Zeit von Martin Luther King, den Protest-Songs, dem March on Washington und der landesweiten Gleichstellung afroamerikanischer und weißer Amerikaner, wobei diese Wende im von der Sklaverei gezeichneten Mississippi wohl kaum jemandem bewusst war. Die junge Skeeter (Emma Stone) ist Journalistin und befragt im Laufe ihres ersten Jobs bei einer ansässigen Tageszeitung das schwarze Kindermädchen Aibileen (Viola Davis). Zunächst im Sinne einer Haushaltskolumne, aber bald schon zur Diskriminierung schwarzer Angestellter in weißen Haushalten, worüber auch Minny (Octavia Spencer) eine (lautstarke) Meinung hat. Da sie mit eben dieser nicht hinterm Berg hält, wird sie gefeuert und findet einzig und allein bei der blonden Außenseiterin Celia (Jessica Chastain) Arbeit.
Foto: Dreamworks

Die Geschichten der Nannys stellen die große Ambivalenz dar: Sie sind den Kindern der Weißen, während die vergnüglich Bridge spielen, näher als ihre eigenen Mütter, ziehen sie groß, bis aus den Kindern erwachsene Frauen werden, die selbst Kinder gebären und in die antiquierten Verhaltensmuster ihrer Eltern, Großeltern usw. verfallen. Eine, wie ich vermute, nicht überzeichnete Dame ist die unbarmherzige und rassistische Hilly (Bryce Dallas Howard), die sich mit Veranstaltungen zwar wohltätig zeigt, ebenso aber separate Toiletten für die schwarzen Angestellten fordert. Dass sie eine dicke Faust in die Visage erhalten wird, ist bei diesem Disney-Film so klar, wie der Ausgang von Schneewittchen…
Zum Ende des Films hin veröffentlicht Skeeter die gesammelten Interviews in einem Buch: „The Help“.
Foto: Dreamworks

Der Film beeindruckt durch seine Farben, witzigen Anspielungen, die Kostüme der frühen 60er Jahre, die fesselnde schauspielerische Leistung und eine gekonnt gestanzte Erzählweise, die einen trotz der zweieinhalb Stunden am Ball bleiben lässt. Die Hauptcharaktere Aibileen und Minny bleiben hingegen platt und sind nur die Personen, die der weißen Skeeter ein paar Knochen vorwerfen, die sie veröffentlicht. Letztlich wird ihr also der Erfolg zugesprochen, die Bürgerrechtsbewegung als „weißer“ Verdienst dargestellt. Was beinah vollständig ausgelassen wird, sind Ereignisse der Diskriminierung, Fernsehsendungen oder anderweitige Berichterstattung der damaligen Situation in den Südstaaten der USA. Einer der letzten Sätze im Film lautet: „Veränderung beginnt mit einem Flüstern.“. Nun ja, hätten sich Aibileen und Minny damals auf eine Lorbeeren zusammen klaubende Skeeter, die sich hinter dem „Anonymous“ auf dem Buch verbirgt, verlassen, so hätte es kein Civil Rights Movement sondern wohl eher ein Civil Rights Tiptoeing gegeben….

Fazit: Sehenswert, aber nur, solange man den Verstand ausschaltet und sich von den 60’s ergreifen lassen will. 

Max Böhner im Dezember 2011



„Ceremonials“ – Florence and the Machine
                                           
Das zweite Album der englischen Sängerin und Stilikone Florence Welch (and the Machine) erschien vor ca. fünf Wochen. Ich dachte mir, es wäre besser, meine Meinung vorerst geheim zu halten, um den Kritik-Wirbel von außerhalb mitzubekommen. Und außerdem glaube ich nicht, dass man dieses komplexe Album nach einmaligem Hören bereits rezensieren hätte können.
Quelle: Universal Music





















Zwei Jahre nach dem Erscheinen vom Debütalbum „Lungs“ stieß „Ceremonials“ ebenso wie der Vorgänger auf Platz Eins der UK-Charts. Überwiegend positiv fielen die Kritiken aus. An dieser Stelle möchte ich aus der L.A. Times zitieren:
„On her follow-up, “Ceremonials” Welch has struck a fantastic and necessary balance. She’s found a way to honor her Bjorkian appetites for lavish orchestral spectacle while finding the depth and subtlety of her voice. She’s become a better actor, a keener listener and still manages to let it rip on occasion. But she also knows when to hush up, like at the close of “Spectrum,” when Tom Monger’s harp gorgeously flutters and dips around her.
Quelle: http://gossip-celebrity-news.com/wp-content/gallery/florence-and-the-machine-ceremonials_1/florence-ceremonials.jpg

Nun bleibt nur zu hoffen, dass sich Florence nicht in die Musen-Schlange vor Karl Lagerfeld einreihen wird. Um Beth Ditto und „The Gossip“ ist es nämlich erstaunlich ruhig geworden…
Die rothaarige Engländerin hat es mit „Ceremonials“ geschafft, das Maximum ihrer Stimme (wenn auch einige Male hörbar technisch unterstützt) zum Besten zu geben als auch Indie-Pop, Soul und Art Pop zu vereinen. Anfangs war ich stark irritiert. Florence ist zwischen dem ersten und zweiten Album unfasslich herangereift, weshalb das Werk pompöser, anmutiger und größer erscheint und es auch ist. Nach mehrmaligen Durchläufen fand ich immer mehr Gefallen an dem noch Neuen. Heutiger Stand: Dauerschleife. In „Lover to Lover“ führt sie eine kleine Psychoanalyse an sich selbst durch und kommt zu folgendem Schluss:

[…]
And I’ve been taking chances 
I’ve been setting myself up for the fall 
and I’ve been keeping secrets 
from my heart and from my soul
Going from row to row 
back to back 
lover to lover 
black to red
But I believe 
I believe
There’s no salvation for me now 
no space among the clouds 
and I feel I’m heading down 
but that’s alright.
[…]
Quelle: http://userserve-ak.last.fm/serve/_/32940019/Florence++the+Machine+florence25.jpg





























Bezieht man die Aussage des Textes wortwörtlich auf sie, scheint ihr bewusst zu sein, dass sie in die falsche Richtung rennt, "but that's alright".
Im März wird die hoffentlich Hut tragende Florence in der Tonhalle (München) „Ceremonials“ der Menge präsentieren. Ich bin schon gespannt, ob sie es schaffen wird, meinen persönlichen Favoriten „Shake it out“ mit einem anderen Song des Albums zu toppen. Nina und ich haben die Tickets bereits und werden selbstverständlich am Ball bleiben und über das Konzert berichten. Und zuvor selbst "Ceremonials" veranstalten: Bildergalerie mit Hair-Stylings, Outfits, Accessoires und Make-Up zum Brimborium vor dem Konzert. Vielleicht sollten wir uns aber als Gastronomie-Pinguine in eine schwarze Weste, ein weißes Hemd und eine schwarze Hose stopfen, um uns durch den Seiteneingang einen Zugang zu Florence und damit zu einem Exklusiv-Interview zu verschaffen? Was meint ihr?

Max Böhner, Dezember 2011.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen